Lebensweisheiten
Søren Kierkegaard 1851: „Zur Selbstprüfung, der Gegenwart empfohlen“. Aus dem Kapitel „Eine Vorbemerkung“.
Kierkegaard (gesprochen: Kerkegoaard), als christlicher Eremit in Kopenhagen lebend (wenn auch wohlhabend und mit einem Diener und einem Sekretär), hatte einen scheelen, aber dennoch treffenden Blick auf das, was das gute Leben eines bürgerlichen Mannes ausmacht:
„O, wenn Du glücklich lebst in einer geliebten Heimat, wenn Dein Weib Dir anhanget von ganzem Herzen und von ganzem Gemüte, wenn Du Freude hast an Deinen Kindern: bedenke, was es doch heißen will, so Tag für Tag in diesem Frieden und dieser Ruhe zuzubringen, die wohlthätig ist für die Seele eines Menschen,
wohlthätiger, als die schwache Beleuchtung des späteren Nachmittages für den, dessen Augen schmerzen: und bedenke, daß dies Dein tägliches Leben ist – und dann denke an den Wahrheitszeugen!
Und wenn Du lebst, nicht in Müssiggang, keineswegs, aber so, daß Deine Thätigkeit, die Deine Zeit, Deinen Fleiß, Deine Kraft in Anspruch nimmt, sie doch nur so in Anspruch nimmt, daß sowohl Ruhe genug von der Arbeit da ist, als auch die Arbeit selbst manchmal als ein Zeitvertreib erfrischt; und wenn Du lebst, wo nicht in Überfluß, doch so, daß Du Dein reichliches Auskommen hast; und wenn Du Zeit hast zu so manchem Genuß, der erquickend die Zeit ausfüllt und neue Lebenslust gibt, und wenn, kurz und gut, Dein Leben ein stiller täglicher Genuß ist
– o, sein Leben war ein tägliches peinliches Leiden (…)“
Offenbar sieht sich hier Kierkegaard (das von mir kursiv gedruckte bezieht sich auf ihn selber) im Kontrast zum frohgemuten Bürger:- Ein gutes Leben, das er vielleicht für sich selber ursprünglich oder auch erst nachträglich ausgemalt hat - als Zusammenleben mit Regine Olsen.
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Ludvik Vaculik 1966: “Das Beil”, Fischer 1438, Ffm 1974, S. 72 (Kapitel 8):
Vaculik, ein tschechoslowakischer Schriftsteller, schildert in diesem Buch auf sehr originelle Weise nicht nur seine dörfliche Familie sondern auch den Aufbau des Sozialismus.
“Bislang hatte ich nie die absolute Verlassenheit erfahren, auch wenn ich wußte, daß sie existierte. Wie andere Dinge existieren, von denen wir eben nur wissen: etwa Prothesen. Jeder weiß, daß zum Beispiel Prothesen existieren, aber keiner von uns hat Lust, ihre Gültigkeit ausgerechnet auf sich selbst zu beziehen. Ich wette jedoch, daß jeder von euch, wenn er einmal eine Prothese kriegt, sich schon im Korridor der Prothesenausgabestelle im Geiste sagt: als hätte ich das nicht schon immer gewußt! Ja, ja, und dennoch sind wir ständig anfällig, so zu handeln, als sollte es zum Allerschlimmsten niemals kommen, und während wir in dieser eitlen Hoffnung wohlwollend zusehen, eilt aufblühend unsere schlechte Zukunft uns entgegen.”
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Carl Gustav Jung. Die folgenden Zitate stammen aus einem YouTube-Film “Carl Gustav Jung's besten Zitate!”
C.G. Jung war ein sozusagen alternativer Psychoanalytiker, der zwar anfangs eine besondere geistige Verbindung mit Sigmund Freud hatte, jedoch dann seinen eigenen Weg fand (wie so manche andere kreativen Leute, die von Freud und seiner Erfindung der ‘Psycho-Analyse’ beeindruckt waren). Hier einige Zitate, die mir persönlich, aufgrund meiner eigenen Lebenserfahrung, interessant erscheinen:
Menschen tun alles, egal wie absurd, um ihrer eigenen Seele nicht zu begegnen.
Der Mann benötigt Schwierigkeiten, sie sind notwendig für seine Gesundheit.
Was man nicht annimmt, kann man nicht ändern.
Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.
Man wird nicht dadurch erleuchtet, dass man sich Lichtgestalten vorstellt, sondern durch Bewusstmachung der Dunkelheit.
Ihre Visionen werden nur klar, wenn Sie in Ihr eigenes Herz schauen, wer nur rausschaut träumt; wer reinschaut, wacht auf.
Alles, was uns an anderen missfällt, kann uns zu besserer Selbsterkenntnis führen.
Der Hass des Menschen konzentriert sich immer auf Etwas, das ihm seine (eigenen) schlechten Eigenschaften zum Bewusstsein bringt. [Das mit dem “Bewusstsein” halte ich allerdings für problematisch - meist führt der Vorgang nicht zum Bewusstwerden, kann aber zum Bewusstsein führen (siehe das vorhergehende Zitat). Es sollte darum m.E. besser heißen: ...”konzentriert sich immer auf Etwas das sich um seine eigenen schlechten Eigenschaften dreht”. Es ist das Problem der ‘Projektionen’.]
Es ist leichter zum Mars vorzudringen, als zu sich selbst. [Gut, das ist natürlich übertrieben. Aber gemeint ist wohl: etwas (äußerlich) technisch zu erreichen ist schwierig, aber schwieriger ist es (für solche Techniker), zu ihren eigenen unbewussten Dispositionen, Komplexen, Antrieben und Widersprüchen vorzudringen und sie selbstreflexiv humanisierend zu bearbeiten.]
Halte dich nicht an jemanden fest, der geht, sonst wirst du nicht denjenigen treffen, der kommt.
Bis du dem Unbewussten bewusst wirst, wird es dein Leben steuern und du wirst es Schicksal nennen.
Einsamkeit kommt nicht davon, keine Menschen um sich herum zu haben, sondern davon, unfähig zu sein, die Dinge zu äußern, die einem wichtig sind oder seine eigenen Standpunkte zu vertreten, die andere als unzulässig finden. [Interessante Idee. Jung meint hier offenbar eine existentielle Einsamkeit, auch wenn man umgeben ist von anderen.]
Wenn ein verkehrter Mann das rechte Mittel gebraucht, so wirkt das rechte Mittel verkehrt. [Siehe zum Beispiel “ideologische Argumentationstricks” No.32, Beispiel 4]
Das Treffen zweier Persönlichkeiten ist wie der Kontakt zweier chemischer Substanzen: wenn es eine Reaktion gibt, werden beide transformiert. [Das trifft sich übrigens mit meiner TEIGA-Philosophie.]
Die erdrückende Mehrzahl der Menschen ist gänzlich unfähig, sich individuell in die Seele eines anderen zu versetzen.
Fürchte nicht das Chaos, denn im Chaos wird das Neue geboren. [Naja, es ist schon zum Fürchten, wenn es Opfer kostet - aber wer weiß das vorher? Und was bleibt einem anderes übrig, als “Augen zu und durch!” - Aber immerhin: C.G. Jung betont hier einen positiven Entwicklungs-Aspekt, den man normalerweise leicht übersieht.]
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